Aufgebauscht oder Feuer am Dach?

Islamismus und Machismus im Schulalltag.
Herausforderungen für die Schul- und Gesellschaftspolitik

BERICHTüber die Veranstaltung von TERRE DES FEMMES Österreich am 24. Oktober 2024 in Wien

es diskutierten

  1. Susanne Wiesinger Lehrerin an einer Brennpunktschule, Bildungsfunktionärin, Buchautorin „Kulturkampf im Klassenzimmer“
  2. Christian Klar Lehrer und Schulleiter einer Mittelschule in Wien, Buchautor „Was ist los in unseren Schulen“

Moderation
Nina Scholz Politikwissenschaftlerin und Autorin
„Alles für Allah – Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“

6 Jahre nach Herausgabe des Buches von Susanne Wiesinger (Lehrerin einer VS in Wien Favoriten und ehemalige sozialdemokratische Gewerkschafterin) unter dem Titel „Kulturkampf im Klassenzimmer“ (2018) erschien vor kurzem die Publikation „Was ist los in unseren Schulen?“ von Christian Klar (Schuldirektor einer Mittelschule in Wien Floridsdorf und politisch aktiv in der Wiener ÖVP) – begleitet auch dieses Mal von großer medialer Berichterstattung.

Dies nahm TDF Österreich zum Anlass, die beiden AutorInnen zu einer Diskussionsveranstaltung einzuladen. Rund 30 Personen aus verschiedensten Professionen (insbes. aus dem Bildungsbereich) folgten der Einladung.

Auf den Unterschied im öffentlichen Diskurs von damals (Erscheinen des Buches von Susanne Wiesinger, 2018) zu heute weist Viktoria Kriehebauer von TdF Österreich bei ihrer Begrüßung hin: der Diskurs sei heute offener, breiter und kritischer geworden (Susanne Wiesinger und Christian Klar haben hier einen wichtigen Beitrag geleistet) und das Gebot der Stunde ist es, dass in diesen wichtigen Fragen verstärkt parteiübergreifend zusammengearbeitet wird.

Moderiert wird die Veranstaltung von Nina Scholz (Politikwissenschaftlerin und Autorin). Auch sie führt in ihrer Einleitung aus, dass heute bei der öffentlichen Debatte über Schule, Migration und Integration weniger Abwehr- und Tabuisierungstendenzen zu beobachten seien als zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches von Susanne Wiesinger – Wiesinger habe hier Pionierarbeit geleistet. Scholz merkte allerdings an, dass die Bezeichnung „Kinder/Jugendliche/Menschen mit Migrationshintergrund“ unpräzise und pauschalisierend ist, da die akuten Probleme, die sich in Schulen zeigen, kein allgemeines Problem mit Migration und Integration darstellen, sondern in erster Linie das Resultat sind von großen Einwanderungsbewegungen aus konservativen und fundamentalistischen Milieus islamischer Gesellschaften. Inzwischen hätten zahlreiche Untersuchungen gezeigt, dass islamische Regeln und Wertevorstellungen von vielen, v.a. auch jugendlichen Muslimen für wichtiger gehalten werden als demokratische Grundwerte und verweist dabei auf einige Studien in Österreich und Deutschland.

Bei dieser Veranstaltung im Format „TDF-Salon der Frauen“ sollte es deshalb speziell um Problemfelder an Schulen gehen, die im Zusammenhang mit einem sehr konservativen, stark patriarchal geprägten Islamverständnis zu sehen sind.

Themenfokus / Aufriss

Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Situation an Schulen v.a. in Ballungszentren wie Wien sind heute unübersehbar und immer mehr Bildungsfachleute wollen diese auch offen ansprechen: auf der einen Seite steht das massiv gestiegene Problem des Fehlens von pädagogischen und psychologischen Fachkräften im Pflichtschulbereich bei gleichzeitig rasanter Zunahme von SchülerInnen mit keinerlei oder minimalen Deutschkenntnissen. Dadurch kann nicht nur kaum oder gar nicht dem Unterricht gefolgt werden, sondern auch Konfliktaushandlungen mit und zwischen SchülerInnen (bei gleichzeitig zunehmenden Konflikten) werden massiv erschwert.

Auf der anderen Seite zeigt sich, dass eine stark gewachsene Anzahl der „migrantischen“ SchülerInnen von einer streng patriarchal geprägten Auslegung des Islam geprägt ist (vermittelt über Elternhäuser, Moscheenvereine, peer-groups, social media u.a.), wo die Religion über alles gestellt wird mit negativen Folgen für die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen, v.a. der Mädchen. Damit ist auch die Zunahme von „ostentativen1 Religionsbekundungen“ verbunden, neue Konflikt- und Gewaltphänomene an Schulen tauchen auf, ebenso vermehrt Forderungen von muslimischen Eltern nach Ausnahmeregelungen (z.B. Gebetsräume an Schulen, keine Teilnahme der Tochter am Schwimmunterricht oder gemeinschaftlichen Projekttagen).

1 zur Schau gestellt / bewusst herausfordernd

Erfahrungsberichte & Diskussion

Susanne Wiesinger und Christian Klar berichten in der Folge über die Herausforderungen speziell im Zusammenhang mit dem Thema religiös/kulturell begründete Verhaltensnormen und Gewaltformen, mit denen auch sie seit Jahren konfrontiert sind. Einige Beispiele werden auch von DiskussionsteilnehmerInnen eingebracht:

  • Verhüllung bei Mädchen / Frauen
    • Bsp. Mittelschule: „ostentative Religionsbekundung“ von Schülerinnen durch Kopftuch und Hijab (tlw. mit Maske, um „Vermummungsverbot“ zu umgehen) -„modest fashion“ wird „promotet“ über Influencerinnen – die Zahl an Hijab-Trägerinnen in Schulen hat deutlich zugenommen (ist auch im Zusammenhang mit der rasanten Zunahme von islamistischen social-media-Inhalten zu sehen)
    • Bsp. Volksschule: es gibt Klassen mit 90 % muslimischen Schülerinnen, einige tragen Hijab in der Schule, die meisten erst außerhalb der Schule; weit verbreitet ist, dass islamische ReligionslehrerInnen den Volksschulmädchen am Ende der 4. Klasse einen Hijab schenken mit einer entsprechenden Botschaft
    • Kopftuch bei pädagogischem Personal: deutliche Zunahme von Studentinnen an der Pädagogischen Hochschule Wien mit Hijab; auch in Kindergärten werden vermehrt Assistentinnen mit Hijab beobachtet
  • Früh- und Zwangsverheiratungen
    • Es gibt immer wieder Fälle von Schülerinnen, obwohl Zwangsverheiratung in Österreich verboten ist (Schulen sind häufig machtlos)
    • es wird auch auf das Problem der Cousinenehen hingewiesen – mit potenziell negativen Folgen für die Gesundheit der daraus entstehenden Kinder (auch ein Zusammenhang mit zunehmenden SPF-Feststellungen wird vermutet)
  • Schwimmunterricht
    • Es wird beobachtet, dass mittlerweile Atteste für muslimische Mädchen von ÄrztInnen (bestätigen Erkrankung immer wieder, wodurch die Schülerin entschuldigt ist) kaum mehr infrage gestellt werden seitens der Schulen/Lehrpersonen;
    • es wird in diesem Zusammenhang auf die Zunahme von tödlichen Badeunfällen von Kindern im Sommer hingewiesen (Frage: gibt es hier evtl. einen Zusammenhang?)
  • FGM (weibliche Genitalverstümmelung)
    • Es gibt Erfahrungen an einer VS mit Schülerinnen mit somalischen Familienhintergrund, die immer wieder unter Blasenentzündungen leiden (möglicherweise aufgrund von FGM), aber es gibt keine Handhabe, etwas zu tun. Auch die Frage nach den Handlungsmöglichkeiten von SchulärztInnen wird gestellt.
  • Ausbildung / Weiterbildung des pädagogischen Personals
    • Lehrer/innen wissen wenig über den Islam und fühlen sich oft überfordert im Umgang mit bestimmten Ausprägungen; alle sollen sich mit der Religion des „Islam“ und den verschiedenen Auslegungen und Gruppierungen in Österreich, sowie den verschiedenen Diskursen dazu auseinandersetzen
Schluss / Conclusio

Die Veranstaltung zeigt, wie dringend nötig Nachschärfungen bei den gesetzlichen Grundlagen und klarere Vorgaben seitens der Politik sind. Das sog. Kindeswohl müsste gesetzlich stärker (als Grundrecht) verankert werden, um gleiche Bildung für alle Kinder sicherzustellen (Grenzen des Elternrechts auf religiöse Erziehung im schulischen Kontext).

Häufig werden derartige Bemühungen des Rassismus bezichtigt, allerdings besteht der eigentliche Rassismus wohl darin – so ein Diskussionsteilnehmer – Kindern mit Verweis auf deren Religion und Kultur von gleichen Bildungsrechten und Entwicklungsmöglichkeiten auszuschließen.

Schulleitungen und Lehrpersonen müsste der Rücken gestärkt werden für die tatsächliche Durchsetzung gleicher Bildungsrechte und Bildungsinhalte für alle SchülerInnen.

Dies unterstreicht auch Marlies Ettl, sie ist Vorstandsmitglied bei TdF Österreich und hat sich als langjährige Schulleiterin der Herta Firnbergschulen in Wien Donaustadt mittels eines klaren Schulprogramms und entsprechenden Verhaltensvereinbarungen mit ihrem Team erfolgreich dafür eingesetzt, „dass Schule ein neutraler Raum ist, frei von religiösen und ideologischen Symbolen, der gleichberechtigtes Lernen von jungen Frauen und Burschen sicherstellt. Zusätzlich jedoch braucht es die Unterstützung der Schulbehörden durch verbindliche Richtlinien und gesetzliche Grundlagen!“

Folgende weitere Forderungen wurden im Rahmen der Veranstaltung formuliert:

  • Es bräuchte mehr Evidenzen, mehr Studien zur Situation an den Schulen (z.B. religiöses Mobbing, Druck auf Schülerinnen, sich zu verhüllen, Ablehnung bestimmter Unterrichtsfächer und –inhalte).
  • Bessere personelle Ausstattung der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen für eine bessere Zusammenarbeit mit Schulen, wenn Kinderrechte verletzt werden.
  • Kopftuch- und Verhüllungsverbot für Schülerinnen an öffentlichen Schulen – Erstellen eines Positionspapiers für die Politik (aktuell ist Zeitfenster in Österreich aufgrund der laufenden Sondierungsgespräche offen) auf Grundlage der Erfahrungen mit dem Verbot 2018, welches der Verfassungsgerichtshof 2019 wieder aufgehoben hatte – wie könnte ein solches Gesetz begründet und tatsächlich exekutiert werden?
  • Verhüllungsverbot von pädagogischem Personal an Schulen prüfen (vgl. z.B. Berliner Neutralitätsverbot)
  • Das bestehende Verbot zur Zwangs- und Frühehe muss besser durchgesetzt werden (evtl. rechtliche Nachbesserungen);
  • es braucht eine gesetzliche Regelung für das Heiratsverbot vor 18 (das dafür nötige Gesetz wurde im September 24 – trotz Einigung der scheidenden Regierung – nicht mehr verabschiedet); es bräuchte ein Gesetz, das die Bestrafung von Imamen und Eltern vorsieht, die solche Verheiratungen durchführen und es bräuchte eine Task Force bei der Polizei, die dies aufdeckt bzw. verfolgt: „ohne Verfolgung und Verurteilungen wird kein Druck auf die community entstehen;
  • Es bräuchte klare Vorgaben für die Schulen zur Sicherstellung des Schwimmunterrichts (z.B. gesetzliche Nachschärfung, Richtlinien/Erlass; Recherche: ÄrztInnen, die automatisch Entschuldigungsatteste schreiben; Elterngespräche)
  • Zum Thema FGM (Genitalverstümmelung) braucht es verpflichtende Informationskurse für Eltern aus betroffenen Communities, Untersuchungen der Genitalien von Mädchen im Zuge der verpflichtenden Eltern-Kind-Pass-Untersuchungen, strenge Bestrafung der Eltern und der FGM durchführenden ÄrztInnen/Beschneiderinnen (vgl. Bsp. Frankreich und GB).
Buchhinweis:

Weitere Literaturhinweise auf der TdF-Webseite unter Informationen / Buchtipps

von links nach rechts: Viktoria Kriehebauer, Christian Klar, Nina Scholz, Susanne Wiesinger

Links zu den Büchern (Thalia):