Das „Mädchenkopftuchverbot“ – TDF-Salon: Pro und Contra
Ein Verbot der Mädchenverschleierung in öffentlichen Bildungseinrichtungen ist eine grundlegende Forderung von TDFÖ. Sie findet sich auch im aktuellen Regierungsprogramm der ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition.
Um unsere Argumentationslinie zum Thema zu schärfen, führten ca. 25 (Mit)Frauen (und einige wenige Männer) im Rahmen des Formats “TDF-Salon der Frauen” am Mittwoch, dem 19. Februar 2025 im Dachgeschoss der AK Wien eine Debatte über das Pro und Contra des Mädchenkopftuchverbots.


Mit Input von Brigitte Hofmann und Nina Scholz und Moderation von Anita Kienesberger (v.l.n.r.).
TDFÖ – Mitfrau und Mitinitiatorin der Initiative „Stopp Sexkauf“ Brigitte Hofmann ging es in ihrem “feministischen Diskursbeitrag” in erster Linie um ein bedingungsloses Commitment des Staates zu Frauenrechten; er muss Gleichstellung herstellen und gegebenenfalls auch verteidigen“. „Detaillösungen“ wie das Mädchenkopftuchverbot greifen aus ihrer Sicht zu kurz und befreiten lediglich bestenfalls die Schulen von der Problematik, verlören aber „das große Ganze“ aus den Augen, nämlich den Kampf gegen das Patriarchat auf allen gesellschaftlichen Ebenen („nicht zuviel Pulver verschießen mit kleinen Maßnahmen!“).
Ein Kopftuchverbot ließe außerdem machistische Burschen außen vor – Mädchen würden mitunter weiterhin von ihnen überwacht werden und im schlimmsten Falle gingen manche Mädchen dann vielleicht gar nicht mehr in die Schule.
Außerdem hätten Mädchen und Frauen ein “individuelles Recht auf Selbstbestimmung“, das sich auch in der freien Wahl der Bekleidung ausdrücke, so Hofmann weiter. “Der weibliche Körper (dürfe nicht) zum Kampfplatz für Verbotspolitik” werden, das sei “Symbolpolitik und eigentlich das Genre der Populisten”.
Brigitte Hofmann plädierte weiters für einen ständigen Aushandlungsprozess – Dialog und Aufklärung bewirkten letztlich mehr als Verbote. Nur so könnten wir verhindern, dass Rechtspopulisten sich des Themas annehmen und durch vereinfachte Botschaften das Vertrauen in demokratische Institutionen nachhaltig untergraben.”
Die in der DDR aufgewachsene Politikwissenschaftlerin und Autorin Nina Scholz möchte anhand der Hijab-Lobbyistin Mariah Idrissi (Model bei H&M) aufzeigen, dass Freiwilligkeit und Selbstbewusstsein sich durchaus mit einem zutiefst patriarchalen, reaktionären Frauen- und Menschenbild vereinbaren lassen. Mariah Idrissi fungiere dabei als Rolemodel für ein Bild der muslimischen Frau, das sie in einem Interview mit dem „Spiegel“ mit den Attributen „sittsam, zurückhaltend und anständig“ beschreibt. Scholz verweist auch auf eine 2017 vom „Mufti“ des islamischen Dachverbands IGGÖ (Islamische Glaubensgemeinschaft) erlassene offizielle sog. Kopftuch-Fatwa (islamisches Rechtsgutachten) für österreichische Musliminnen, das die Verhüllung als „religiöse Pflicht“ (fard) für Mädchen ab der Pubertät propagiert. Sie kritisiert, dass offensichtlich beim Kopftuch die „freie Wahl und Selbstbestimmung“ von muslimischen Mädchen endet.

Scholz geht auch auf die eigentlichen (kulturell und religiös motivierten) Hintergründe der Verhüllung von Mädchen und Frauen ein: Die Vorstellung, durch die Verhüllung Burschen und Männer vor weiblichen Reizen zu schützen, offenbare ein äußerst problematisches Männerbild, das Männer ausschließlich als triebgesteuerte Wesen wahrnimmt, unfähig zum entspannten Umgang mit Mädchen und Frauen. Dieses Männerbild habe zur Folge, dass viele Jungen aus den entsprechenden kulturellen Milieus Mädchen aus modernen muslimischen Familien und alle nichtmuslimischen Mädchen als Schlampen/Huren/Freiwild betrachten und infolgedessen von deren sexueller Verfügbarkeit ausgehen.
Zum Argument, dass Dialog und Aufklärung besser wären wie gesetzliche Regelungen, meint sie, dass es beides braucht (sollte „Hand in Hand gehen“) Die Geschichte hätte gezeigt, dass Dialog und Aufklärung allein kein Garant für die Lösung aller Probleme sind Es brauche Gesetze als normative Richtschnur in einer Gesellschaft.
Sie veranschaulicht das an den Beispielen des gesetzlichen Verbots, Kinder zu schlagen, dem Verbot der Vergewaltigung in der Ehe, dem Antidiskriminierungsgesetz zum Schutz von Homosexuellen in Brasilien und dem Gesetz gegen Zwangsverheiratung in Österreich. Scholz äußert den Eindruck, dass der Slogan „Verbote sind keine Lösung“ v.a. dann vorgebracht werde, wenn es um die Themen Migration und Religion geht.
Diskussion:
In der von TDFÖ – Mitfrau Anita Kienesberger (Stopp Sexkauf) moderierten Debatte gelang es, gut nachvollziehbar zu machen, warum Terre des Femmes das Kinderkopftuchverbot als Forderung entwickelt hat. Die sachlichen Argumente wurden unter reger Beteiligung aller in einer offenen Atmosphäre ausgetauscht. Das aktuelle Positionspapier dazu findet sich in Kürze auf der TDF-Webseite.
TDFÖ wird sich auch aktiv in den neuen Anlauf der aktuellen Regierung, das Mädchenkopftuchverbot umzusetzen, einbringen.
Die nachfolgende Diskussion bot auch noch Raum für weitere schulische Erfahrungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Thema Religion. Zur Überraschung mancher dürften die Probleme in Wiens Schulen mit Islamismus (z.B. Forderung nach Gebetsräumen, Weigerung Deutsch zu lernen, Druck junger Burschen auf Mädchen, die kein Kopftuch tragen wollen, etc.) überaus groß sein – und das mittlerweile nicht nur im Pflichtschulbereich.
Bericht: Marlies Ettl