Die Frau ist keine Ware – der Bericht zu unserer Veranstaltung
Zu unserer Veranstaltung am 9. Mai in der Urania Wien zum Thema „Frauenkörper sind keine Ware: Der Weg zum Nordischen Modell“ kamen 90 Interessierte, die sich in einer sehr offenen Diskussion um Lösungsversuche bemühten, wie man dem ausufernden Menschenhandel in einer globalisierten Welt begegnen kann.
MANFRED PAULUS, ein ehemaliger deutscher Hauptkommissar, mit jahrzehntelanger polizeilicher Erfahrung im Bereich der Zuhälterei, der Prostitution und des Menschenhandels, hat eindrucksvoll geschildert, wie sich die Verhältnisse in den Jahren nach der Osterweiterung in Richtung organisierter Kriminalität verändert haben. Die neoliberale ökonomische Entwicklung hat im Osten Europas Armut entstehen lassen, die eine Verbrechenskultur befördert hat, die sich in vielen Facetten der sexuellen Ausbeutung äußert.
In Deutschland, der Schweiz und in Österreich kommen 90 % der Prostituierten aus diesen armen Ländern. Sie sind meistens illegal, werden von einem Bordell ins nächste verfrachtet, von einer Stadt in die nächste, von einem Land ins nächste. Sie kennen ihre Rechte nicht, sie beherrschen die Sprachen der Zielländer nicht und wissen nicht, wie sie sich aus dem Gefängnis der brutalen Zuhälterei befreien können. Von Freiwilligkeit kann keine Rede sein.
Terre des Femmes Österreich schließt sich seiner Analyse und politischen Forderung an: Wenn es schon keinen politischen Willen gibt, die Prostitution als patriarchales Gewaltverhältnis, das es in einer modernen Gesellschaft längst nicht mehr geben dürfte, an sich bekämpfen zu wollen, müssten die politischen Eliten daran interessiert sein, die mafiösen Strukturen, die über die Prostitution nach Mittel- und West-Europa kommen, zu zerstören.
Die Gynäkologin LIANE BISSINGER aus München beschrieb eindrucksvoll – am Rande des Erträglichen für alle im Saal Anwesenden, darunter viele junge Frauen und Männer – die verheerenden Schäden, die die betroffenen Frauen in der Prostitution erleiden müssen: die vaginalen Verletzungen, die Infektionskrankheiten, die über den Sexualkontakt weitergegeben werden, die Schmerzen, die ein weiblicher Körper, durch bisweilen 10-fache tägliche Penetration, unweigerlich entwickeln muss.
Der abschließende Film von SUSANNE RIEGLER “Irreführung“ gibt jungen mutigen Frauen, die noch in der Prostitution sind, oder schon ausgestiegen sind, eine Stimme. Sie beschreiben, warum sie eingestiegen sind, den Alltag, den Ekel, die Gewalt, den Drogenkonsum, der nötig ist/war, um diese demütigende Situation des Sexkaufs und die damit verbundenen Schmerzen auszuhalten. Selbst Schwangerschaft ist für sie kein Schutz.
Die Filmemacherin unterlegt die Berichte der betroffenen Frauen mit den in Österreich geltenden gesetzlichen Vorgaben zum Schutz von ArbeitnehmerInnen, die allesamt für „normale“ Arbeit gelten. Glasklar belegen die zitierten Gesetzestexte, dass diese Vorgaben in der Prostitution ausnahmslos nicht gelten.
Die professionelle Moderation von BRIGITTE HANDLOS hat der Veranstaltung einen souveränen Rahmen gegeben, in dem auch Gegnerinnen zu Wort kamen, ohne dass das dem Ziel der Veranstaltung, über das Nordische Modell zu informieren, einen Abbruch getan hätte.
Die Vorstandvorsitzende von Terre des Femmes Österreich BEATE WIMMER-PUCHINGER beschrieb in ihren Eröffnungsworten das leidenschaftliche Engagement unseres erst jungen und kleinen Vereins für eine Welt ohne Prostitution. Große Ehrung unserer Arbeit erfuhren wir durch die Grußworte von HELENA ZIMMERDAHL, der Gesandte-Botschaftsrätin der Schwedischen Botschaft gleich zu Beginn der Veranstaltung, die das Nordische Modell (auch als Schwedisches Modell bezeichnet, da das Modell 1999 in Schweden entwickelt und als Gewaltschutzpaket umgesetzt wurde) erklärte.
Der Versuch einer deutschen Prostitutionslobby unsere Veranstaltung zu zerstören, indem sie das Anmeldesystem mit 150 Anmeldungen blockierte, wurde rechtzeitig vereitelt. Wir fanden keinen leeren Saal wie intendiert vor. Ganz im Gegenteil: unsere Veranstaltung wurde über Facebook und Twitter auf diese Art und Weise in Deutschland zu einem Diskussionsthema. Das attraktive Programm des Abends und letztlich sogar die Solidarität vieler Frauen und Männer führte dazu, dass der Dachsaal der Urania voll besetzt war. Eine paradoxe Form von PR für uns und unsere Anliegen!
Die Rückmeldungen nach der Veranstaltung waren sehr ermunternd und was das Wichtigste ist: Es gibt nun mehr Menschen zumindest in Wien, die das Nordische oder Schwedische Modell (Fr. Zimmerdahl sprach vom „Egalitarian Model“) kennen. Und sie werden BotschafterInnen sein, die das Thema verbreiten.
Wir von Terre des Femmes Österreich unterstützen die dringende seit 2014 bestehende Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Europarats, in allen europäischen Ländern das Nordische Modell einzuführen. Wir finden es untolerierbar, dass in Österreich – im Gegensatz zu Schweden, Norwegen, Nordirland, Kanada, Irland, Island, Frankreich und Israel – der politische Wille zur Einführung des Nordischen Modells als effiziente Bekämpfung des Menschenhandels und der Prostitution gänzlich fehlt.
Es wird weitere Veranstaltungen zu diesem Thema geben, bis das Bewusstsein der Bevölkerung so entwickelt ist, dass sie den politischen Eliten genügend Druck macht, um das Verbrechen „Prostitution“ abzustellen. Erst dann kann über Gleichstellung der Geschlechter aussichtsreich verhandelt werden.