Unsere Positionen

Weibliche Genitalverstümmelung

TERRE DES FEMMES setzt sich für die weltweite Abschaffung weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) ein. Wir verstehen die Verstümmelung weiblicher Genitalien als extreme und endgültige Ausprägung eines frauenfeindlichen Systems und damit als Menschenrechtsverletzung.

Extrem, weil fundamentale Rechte der Frau, wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit, verletzt werden.

Endgültig, weil nur ein Teil der Betroffenen Therapien und Wiederherstellungsoperationen nutzen kann, aber auch dies die Tat und ggf. die Folgen nicht ungeschehen macht.

Frauenfeindlich, weil diese Praxis das Potenzial von Mädchen hemmt, indem sie eng mit Bildungslosigkeit, Frühehen, Vielehen und häuslicher Gewalt verknüpft ist.

System, weil soziale Vorteile wie höheres Brautgeld, soziale Akzeptanz und ästhetische Ideale mit FGM verbunden werden.

Damit alle Mädchen unversehrt aufwachsen und Betroffene ohne zusätzliche Einschränkung leben können, engagieren wir uns vielfältig bei PolitikerInnen, in den Medien, durch Vorträge, Ausstellungen und Publikationen. Auf der Website von Terre des Femmes Deutschland finden sie Informationen, die Ihnen Aufschluss über die globale Verbreitung dieser Praktik, über die Ursachen für und Argumente gegen FGM, über aktuelle Entwicklungen und Ereignisse, über Möglichkeiten des zivilgesellschaftlichen Engagements und über unsere Aktivitäten zur Abschaffung geben.

Unsere Forderungen

Bei der genitalen Verstümmelung handelt es sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung und ein gravierendes Gesundheitsproblem. Nur gemeinsam können wir Mädchen und Frauen schützen und ihre Rechte stärken! Denn immer noch wird Genitalverstümmelung in ihren Ausmaßen und Auswirkungen unterschätzt. Trotz aller Bemühungen im Kampf gegen die Praxis werden immer noch jedes Jahr Millionen Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt! Deshalb muss sich auf internationaler und nationaler Ebene noch viel bewegen. Im Jahr 2003 wurde der 6. Februar zum internationalen Tag “Null-Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung” erklärt. Dies ist neben dem 25. November, dem Tag zu “Nein zu Gewalt an Frauen” und dem 8. März, dem Weltfrauentag, für TERRE DES FEMMES ein Anlass, mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf unsere Forderungen aufmerksam zu machen.

TERRE DES FEMMES fordert:

  • Weltweit: Weibliche Genitalverstümmelung soll weltweit abgeschafft und geächtet werden. Die Forschung zu den Verbreitungsgebieten, psychischen Folgen von FGM, zu den Bedürfnissen Betroffener sowie zu Strategien, FGM zu überwinden, soll gefördert und in der Praxis berücksichtigt werden. Wir fordern die Bereitstellung von Geldern für Aufklärungs- und Bildungsprojekte in Regionen mit hoher Akzeptanz von weiblicher Genitalverstümmelung.
  • Migration: Personen aus Risikogruppen sollen rechtzeitig über die juristische Lage und Hilfsangebote in Österreich, Mädchenrechte im Allgemeinen und medizinische Fakten zur weiblichen Genitalverstümmelung informiert werden. Das Gesetz gegen weibliche Genitalverstümmelung muss in Österreich angewandt und exekutiert werden.
  • Prävention: Fachpersonal (PädagogInnen, SozialarbeiterInnen, ÄrztInnen, Hebammen, MitarbeiterInnen des Jugend- und Sozialamts, PolizistInnen usw.) muss im Rahmen der Ausbildung/des Studiums das Thema weibliche Genitalverstümmelung behandeln. Institutionen und Behörden in Österreich müssen angemessen auf jeden Hinweis aus der Bevölkerung reagieren. Es bedarf außerdem der langfristigen Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit in Diaspora-Communitys, um einen Einstellungs- und Verhaltenswandel zu erreichen. Dafür müssen langfristig Gelder zur Verfügung gestellt werden. Vorsorgeuntersuchungen sollen bundesweit verpflichtend sein, da sie so ein zusätzliches Präventionsinstrument darstellen.
  • Reaktion: Für betroffene Mädchen und Frauen sollen kompetente Beratungsstellen flächendeckend gesichert werden. Die medizinische und psychologische Nachbehandlung (inkl. Rekonstruktionsoperation) muss den Frauen als Kassenleistung ohne Zuzahlung möglich sein.
    Eine frühzeitige Information selbst betroffener Mütter über die Konsequenzen der Genitalverstümmelung ihrer Töchter ist notwendig.

Häusliche und sexualisierte Gewalt

Häusliche und sexualisierte Gewalt sind auch heute noch von bedrückender Realität. Im eigenen Heim leben Frauen am gefährlichsten. Weltweit ist das so, auch in Österreich. Häusliche Gewalt ist die häufigste Ursache von Verletzungen bei Frauen. Für Frauen ist das Risiko, durch einen Beziehungspartner Gewalt zu erfahren, weitaus höher als von einem Fremden tätlich angegriffen zu werden. Bildung, Einkommen, Alter und Religionszugehörigkeit sind dabei völlig bedeutungslos. Frauen sind in ihrem Zuhause aber nicht nur von häuslicher Gewalt betroffen, sondern häufig auch zusätzlich oder ausschließlich von sexualisierter Gewalt. Zwei Drittel aller Vergewaltigungen finden, entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, zuhause, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz statt. Die Meisten planen ihre Handlungen gezielt und sind sich darüber bewusst, was sie tun. Jede Frau und jedes Mädchen, gleichgültig wie alt oder attraktiv sie ist, welcher Nationalität oder Religion sie angehört, kann sexualisierte Gewalt erleiden. Durch unsere Arbeit wollen wir die Öffentlichkeit auf diese drängenden Themen aufmerksam machen. Wir setzen uns für Gesetzesänderungen ein und vernetzen uns mit anderen Frauenorganisationen. 

TERRE DES FEMMES fordert:

  • Rechtsanspruch auf Hilfe bei Gewalt: Österreich muss sicherstellen, dass allen Frauen, die Gewalt erleiden, adäquate Hilfe und Unterstützung zur Verfügung steht, unabhängig von ihrem Wohnort, Gesundheitszustand, der Herkunft oder dem Aufenthaltstitel.

    Das momentane Hilfesystem für Frauen nach Gewalt steht leider nicht allen Frauen zur Verfügung. Es ist weder flächendeckend ausgebaut noch ausreichend finanziert. Das Hilfesystem muss aber für alle gewaltbetroffenen Frauen und Kindern vorhanden sein. Betroffene haben ein menschenrechtliches Recht auf Hilfe und Unterstützung (s. Artikel 18, 23, 25 der Istanbul-Konvention). 

  • Die Kritik am Gewaltsschutzgesetz muss aufgenommen werden und die Maßnahmen wie sie u.a. im Regierungsprogramm formuliert sind, ehestmöglich umgesetzt werden. Wir teilen die von Frauenorganisationen aufgestellte Forderung nach mehr finanziellen Mitteln zur präventiven und aktiven Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen.
  • Aussetzung des Umgangsrechts für das gewalttätige Elternteil: Bei Verdacht auf Gewalt darf es – nur unter Umständen – einen begleiteten Umgang geben. Im Vorfeld muss eine Gefahrenanalyse stattgefunden haben. Das Umgangsrechtsverfahren darf bei Verdacht auf häuslicher Gewalt nicht beschleunigt werden.

      Gerade in hochbrisanten Fällen von häuslicher Gewalt kommt es immer wieder bei Übergabesituationen zu einer erneuten Gefährdung der Frau. Das muss verhindert werden und zugleich muss das Kindeswohl stärker in den Vordergrund rücken. Gewalt zwischen den Eltern ist für Kinder eine schwere psychische Belastung. Einem Kind, das jahrelang mit ansehen musste, wie der eigene Vater die Mutter misshandelte, kann nicht zugemutet werden, Kontakt zum Vater pflegen zu müssen. Es sollte unabhängig von seinem Alter selbst mitbestimmen dürfen, was seinem Wohl dient. Das Kindeswohl und die Sicherheit der Betroffenen müssen immer Vorrang haben. Zudem darf das Umgangsrechtsverfahren bei Verdacht auf häusliche Gewalt nicht beschleunigt werden.

    Weitere Forderungen:

    • Regelmäßige und bundesweite Sensibilisierung (z.B. durch verpflichtenden Fortbildungen) von Behörden, Richterschaft und Polizei
    • Ausbau einer jugendgerechten Präventionsarbeit auch in Schulen
    • Rechtlicher Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung für alle Frauen, die von Gewalt betroffen sind
    • Einführung von betrieblichen Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt (Workplace Policy) in Unternehmen und Verwaltungen
    • Bundesweite Möglichkeiten der Anonymen Spurensicherung:
      Viele Verfahren werden aus Mangel an Beweisen eingestellt. Um dies zu verhindern, müssen die Spuren bei einer Vergewaltigung zeitnah sichergestellt werden. Dies ist in der Regel bisher nur möglich, wenn die Betroffene sofort bereit ist, Anzeige zu erstatten.
      Anders bei der „Anonymen Spurensicherung“. Dort werden die Spuren einer Vergewaltigung sichergestellt und gerichtsfest dokumentiert, auch ohne dass eine Anzeige der Betroffenen vorliegen muss. Die Betroffene hat die Möglichkeit, sich in aller Ruhe zu überlegen, ob und wann sie Anzeige erstatten möchte. Die Spuren werden, je nach Klinik, bis zu 20 Jahre für einen möglichen Gerichtsprozess aufbewahrt.
      Wir fordern eine flächendeckende Versorgung von sogenannten Opferschutzambulanzen, bei denen eine „Anonyme Spurensicherung“ möglich ist und die Beweise bis zu 20 Jahre gerichtsfest gelagert werden!
    • Psychosoziale Prozessbegleitung: Für die wenigen Betroffenen, die sich für eine Strafverfolgung ihres Falles entschließen, kann das Verfahren schmerzlich und retraumatisierend sein. Umso wichtiger ist es für sie, dass sie eine professionelle, ggf. interkulturelle, psychosoziale Prozessbegleitung für den gesamten Verlauf des Strafverfahrens erhalten.
      Wir fordern, dass ein flächendeckendes, finanziell abgesichertes Angebot an qualifizierter Zeugen- bzw. Prozessbegleitung eingerichtet wird und dass traumatisierte Zeuginnen nach Gewaltdelikten einen Rechtsanspruch auf Zeugen- bzw. Prozessbegleitung erhalten.
    • Aus- und Weiterbildung von PolizistInnen, StaatsanwältInnen und RichterInnen: Mythen und stereotype Bilder bei Vergewaltigung bzw. sexueller Nötigung existieren in allen Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen. Hinzukommt, dass Vergewaltigung bzw. sexuelle Nötigung nach wie vor Tabuthemen sind. Die Folgen von sexualisierter Gewalt, u.a. Traumatisierungen und posttraumatische Belastungsstörungen, sind nach wie vor zu wenig bekannt und werden in der Ausbildung entsprechender Berufsgruppen zu wenig thematisiert. Dabei ist ein sensibler und ggf. kulturspezifischer Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit den Betroffenen unerlässlich.
      Wir fordern in den Ausbildungen für alle entsprechenden Berufsgruppen als festen Bestandteil den Umgang mit traumatisierten Menschen aufzunehmen und regelmäßig Fortbildungen anzubieten.

    Definition Gewalt im Namen der Ehre & Zwangsverheiratung

    Was verstehen wir unter Gewalt im Namen der Ehre?

    Bei Gewalt im Namen der Ehre handelt es sich um Gewalt, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der vermeintlichen Familienehre angewendet wird. Die verschiedenen Formen der Gewalttaten reichen von emotionaler Erpressung und psychischem Druck bis hin zu physischer und sexualisierter Gewalt. Dazu gehören auch Zwangsverheiratungen oder so genannte Ehrenmorde.

    Was verstehen wir unter Zwangsverheiratung?

    Zwangsverheiratungen liegen dann vor, wenn mindestens einer der Eheleute durch die Ausübung von Gewalt oder durch Drohungen zum Eingehen einer formellen oder informellen (also durch eine religiöse oder soziale Zeremonie geschlossenen) Ehe gezwungen wird. Eine mögliche Weigerung einer der Ehepartner hat entweder kein Gehör gefunden oder der/die Betroffene hat es nicht gewagt, sich zu widersetzen. Auch die Bedrohung der Betroffenen mit existentiellen finanziellen oder ausländerrechtlichen Konsequenzen kann zu einer Zwangsverheiratung führen.

    Was verstehen wir unter “Ehren”-Mord?

    Hat ein Mädchen oder eine Frau durch ihr Verhalten nach Ansicht ihrer Familie “Schande” über sie gebracht, wird diese alles tun, um die Familienehre wieder herzustellen. In einigen Fällen sehen sie die einzige Möglichkeit dafür in der Ermordung (Mord im Namen der Ehre = “Ehren”-Mord) der für den Ehrverlust verantwortlichen Person.

    Unsere Forderungen

    Im Zusammenhang mit der Arbeit zum Thema Gewalt im Namen der Ehre und Zwangsverheiratung stellt TERRE DES FEMMES Forderungen an die Politik auf Bundes- und Landesebene. Zwangsverheiratung ist nach Artikel 16 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 eine Menschenrechtsverletzung. „Die Ehe darf nur auf Grund der freien und vollen Willenseinigung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden.“ Dies gilt für alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, somit auch für Österreich.

    TERRE DES FEMMES fordert:

    • Bundesweite Sensibilisierung von Behörden, Lehrkräften, SchulsozialarbeiterInnen, Beratungsstellen, Polizei
    • Sicherung und Ausbau der bestehenden Beratungsangebote und Schutzeinrichtungen
    • Spezifische Notunterkünfte in den Schutzeinrichtungen, um eine unkomplizierte und rasche Hilfe im Sinne der Betroffenen zu ermöglichen
    • Ausbau von spezifischen Angeboten für Jugendliche sowie Eltern zur Prävention von Gewalt im Namen der Ehre